Bürgermeister Bender

Eine Geschichte aus dem Buch „Türelüre Pitterke“ von Hans Seyppel

Der Bürgermeister Bender war beileibe kein Original. Er, der altgediente Offizier – er war Hauptmann -, hat die Geschicke Gerresheims in seine starken Hände genommen und unendlich viel Gutes für seine Gemeinde getan und durchgesetzt.

Er förderte die Gerresheimer Zeitung, die von Monz herausgegeben, an der Heyestraße gegenüber dem Haus von Dr. Strunk gedruckt wurde. Auch den Anschluß an das Straßenbahnnetz von Düsseldorf hat er intensiv betrieben und zwar erfolgreich. Dies nur einige Erfolge.

Um all seine weitblickenden Vorhaben durchzusetzen und den Wünschen der Stadt Gerresheim den nötigen Nachdruck zu verleihen, hatte Bürgermeister Bender sein Stadtverordneten-Kollegium nach und nach richtig zusammengesetzt. Da waren der Kommerzienrat Heye und Herr Frieding vor allem, auf die er sich immer verlassen konnte. Andere mußten überzeugt werden, und das geschah sehr oft außerhalb der Sitzungen bei einem Glas Wein im Rosenbaum. Bürgermeister Bender

hat, immer klug, die mehr oder weniger verwickelten Stadtangelegenheiten außerhalb der amtlichen Räumlichkeiten eben im Rosenbaum vorbesprochen, so daß die eigentlichen Entschließungen meist in kurzer Zeit durchgebracht waren. Aber der Wein für derartige Vorgespräche, der mußte gut sein. Das war politisch wichtig – und außerdem hatte der Bürgermeister auch ein Weinzüngelchen.

Eines Tages wurde ihm im Rosenbaum ein alter, aber schon etwas firner Wein vorgesetzt. Bürgermeister Bender probierte und rief dann den Wirt. Dem erklärte er: ,,Herr Wirt. lhr Wein, der ist aber was!“

Dabei rollte er mannhaft einen Schluck des firnen Weines über die Weinzunge, und der Wirt strahlte zufrieden.

,,Ja“, sagte der Bürgermeister, ,,das ist ein Wein, von dem schon meine Mutter sagte: Junge, da machen wir mal ’ne feine Weinsuppe von. Und nun aber flott eine gute Flasche, Herr Wirt!“

Bürgermeister Bender war ein mittelgroßer, gesetzter Herr. Er trug einen kurzen Backenbart. Sein Gesicht war ernst und sein Blick kühl und überlegen. – Ernst und überlegen hat er die Geschicke der Stadt Gerresheim geleitet und sie mit kluger Diplomatie oder humorigem Verständnis zu der Bedeutung hinaufgelührt, die Gerresheim und den Gerresheimern auch nach der Eingemeindung die selbstbewußte eigenbürgerliche Art erlaubte, die auch heute noch ein besonderer Zug unserer kleinen Stadt ist.

Als dieser große Mann 1904 starb, ordnete die Gerresheimer Stadtverwaltung besondere Trauerfeierlichkeiten an. Die Erinnerung an die Feier hat sich nicht gehalten. Nur eins wußte der alte Schneidermeister Joseph Stock noch genau:

Alle Gerresheimer Straßenlaternen trugen am Tage der Beerdigung des großen Bürgermeisters einen tiefschwarzen Trauerflor.


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